Historisches Weilimdorf

Historisches Ensemble Weilimdorf, © Foto Hans-Martin Goede
das "historische Ensemble" von Weilimdorf. Foto © Hans-Martin Goede
das “historische Ensemble” von Weilimdorf. Foto © Hans-Martin Goede

Weilimdorf wirkt sehr modern – obwohl es mehr als 1.800 Jahre alte ist (siehe Geschichte zum Ort). Das “alte Herz” von Weilimdorf ist jedoch rund um die Oswaldkirche zu finden: das “historische Ensemble”. Die Oswaldkirche, das alte Schulhaus (rechts im Bild zwischen Oswaldkirche und alten Rathhaus) und das alte Rathaus (rechts im Bild im Vordergrund) bilden die alte Ortsmitte.

Das Schulhaus und das alte Rathaus wurden zwischen 2019 und 2021 umfassend saniert, die Oswaldkirche bereits 2019. Das Ensemble wurde Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut. Das alte Rathaus wurde seit der Eingemeindung zu Stuttgart nur noch als Bezirksrathaus genutzt. 1984 zog die Verwaltung in das neue Bezirksamt am Löwen-Markt um.

Das ALTE SCHULHAUS bei der Oswald-Kirche

1556 waren in Württemberg in der Regel nur Schultheiß und Schulmeister schreibkundig. 1559 erließ Herzog Christoph daher eine allgemeine Schulordnung. Durch die Verbindung von Mesnerei und Schule sollte das deutsche Volkschulwesen im Herzogtum Württemberg verbreitet werden.

das historische Ensemble im Herzen von Weilimdorf
das historische Ensemble im Herzen von Weilimdorf

Nach der Ortschronik von Weil im Dorf von Wilhelm Ostertag besitzt Weilimdorf eine lange Schultradition. In einem Lagerbuch von 1551 wird als Schulmeister und Mesner Hans Mäulin aus Nußdorf verzeichnet. Entlohnt wurde der Lehrer meist von der Gemeinde und der Kirche. Neben Schuldienst und Mesneramt versah der Schulmeister oft die Gerichtsschreiberstelle, war Organist, säuberte das Kirchenornat oder hielt Hochzeits- und Leichenreden und führte die Sonntagsschule durch. Als Gegenleistung standen ihm insgesamt 181 Fl und 37 Kr dafür zu. Natürlich wurde ein Teil dieses Geldes in Naturalien oder Brennholz ausbezahlt, für das die Eltern der Schüler neben geringem und unregelmäßig bezahltem Schulgeld aufkommen mussten.

Auch der Dreißigjährige Krieg vermochte, trotz großer Armut, den Schulunterricht nicht völlig aufzulösen, selbst wenn der Schulmeister so gut wie nichts für seine Arbeit erhielt. Von 1605 bis 1658 war dies Sebald Schönwalter. Er ist der am längsten lehrende Schulmeister Weilimdorfs. Nach ihm wurde eine Straße benannt und es leben heute noch etliche Weilemer, in deren Stammbaum Sebold Schönwalter auftaucht.

Die Kirchenbücher sind lückenlos erhalten. Pfarrer Samuel Isenmann begann 1553 mit dem Taufregister, 1586 Pfarrer Bühler mit einem Eheregister und 1591 mit einem Totenregister. Abgehoben gelegen auf einem Geländesporn und gesichert hinter der Kirche und der den Friedhof umschließenden Mauern, gehörte das ursprüngliche Gebäude zu den ältesten Bauwerken Weilimdorfs und war wohl ein mehrfach genutztes Gebäude: Mesnerei, Schulmeisterei und Gemeindeverwaltung.

1684 lernten 43 Knaben und 33 Mädchen nach Geschlechtern getrennt in zwei Klassen bei Andreas Schönwalter mit dem Katechismus lesen.
1765 wurde das mehrmals erweiterte und umgebaute Schulhaus abgebrochen und an derselben Stelle wiederaufgebaut, mit zwei Klassenräumen im Erdgeschoss. Weitere Erweiterungen und Umbauten erfolgten 1809 und 1816. 1844 schuf ein letzter Umbau vier Schulräume, Bibliothek, Lehrerzimmer sowie Lehrerwohnung und Zimmer für Unterlehrer und Provisor.

1888 wurde die spätere Alte Schule (heute Seelach-Schule) – nach nur einem Jahr Bauzeit – in der Glemsgaustraße durch König Karl feierlich eröffnet. Zuvor befand sich auf diesem Gelände ab 1583 bis 1869 der Friedhof, nachdem der Platz um die Kirche zu klein wurde. Der neue Friedhof wurde außerhalb des Dorfes in die „Hipplen“ – Zugang in der Goslarer Straße verlegt.

Ab 1908 wurden nur noch Kleinkinder im sogenannten „Schüle“ unterrichtet (Nach mündlicher Überlieferung wurden schon ab 1865 der evangelische Kindergarten dort eröffnet). 1928 erfolgte der Umzug in das neue Gemeindehaus in der Ludmannstraße 10.

1983 konstituierte sich die Kindergruppe REGENBOGEN, die Räumlichkeiten für eine alternative Kinderbetreuung suchte. Im Obergeschoß, in der alten Lehrerwohnung, fand sich genug Platz. Durch die dringend erforderliche Sanierung des alten Schulhauses wird die Kindergruppe nun das ganze Haus nutzen können. Alle Sicherheitsbestimmungen wurden beim Umbau berücksichtigt.

Edeltraud John, Weilimdorfer Heimatkreis
Quellen: Ortchronik von Weilimdorf von Wilhelm Ostertag, 1926
750 Jahre Weilimdorf. Geschichte und Geschichten zum Jubiläum 1993

Das ALTE RATHAUS

Oswaldkirche und das historische Rathaus (1941)
Oswaldkirche und das historische Rathaus (1941)

1551 wird ein Rathaus in Weil im Dorf erstmals urkundlich erwähnt. 1381 wird Kunz Stotzinger in einer Steuerliste als Schultheiß „zu Wil dem torf“ genannt. Das heutige alte Rathaus stammt aus dem Jahr 1605. Nach Verlegen des ehemaligen Friedhofs bei der Kirche in die heutige Glemsgaustraße, war genug Platz für Schulhaus und Rathaus vorhanden. Schultheiß, Gericht und Rathaus waren Mittelpunkt der Gemeinde. Die weltliche Herrschaft wurde seit 1336 in Württemberg mittels eines von den Bewohnern bestimmten Vogtes ausgeübt. 

1864 wurde eine Renovierung des Rathauses erforderlich. Im späten 19. Jahrhundert fand auf dem Dachboden der Ausbau zweier Arrestzellen statt. Diese kleinen Räume messen 2 mal 3 Meter, eine vergitterte Dachluke sorgte für Frischluft. Eine breite Holzpritsche mit eingebautem Kopfkeil aus Holz diente als Nachtlager. Im Winter sorgte ein Kanonenofen, vom Flur aus heizbar, für etwas Wärme. Ein „Pottschamber“ in einer Art Nachtisch verborgen, diente der Notdurft. 1909, in wirtschaftlich besseren Zeiten, erfolgte eine Renovierung des Rathauses. 

Ende der zwanziger, bzw. Anfang der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts verband Stadtbaumeister Sautter aus Feuerbach das Rathaus mit dem dahinterliegenden ehemaligen Schulgebäude. Am 1. April 1929 schlossen sich Feuerbach und Weil im Dorf freiwillig zu einer Gemeinde zusammen. Der letzte Schultheiß Gotthilf Dreher wurde unter Wilhelm Geiger Bürgermeister in Weilimdorf. Beide waren aber den Nazis unbequem und so mussten sie ihr Amt 1933, bei der Zwangseingemeindung der Gemeinde nach Stuttgart, aufgeben. 

das historische Ensemble von Weilimdorf im Jahr 1970
das historische Ensemble von Weilimdorf im Jahr 1970

Durch das stete Wachstum Weilimdorfs nach dem zweiten Weltkrieg, wurde das Rathaus viel zu klein. Lange wurden alternative Standorte gesucht und so kam es, dass letztlich der heutige Löwen-Markt als neues Zentrum entstanden ist. Das historische Zentrum im Unterdorf sollte eine neue, geeignete Nutzung erfahren. Das 18. Polizeirevier, damals im einstigen Pfarrhaus untergebracht, lehnte aber ab, dem Land waren die Umbau- und Unterhaltskosten zu hoch. Die Stadt Stuttgart wollte die nötigen Finanzmittel nicht ausgeben, um den örtlichen Vereinen eine zentrale Unterkunft zu bieten. Das Rathaus sollte daher verkauft werden. Die Evangelische Gesellschaft zog in das Gebäude ein und übernahm – mit finanzieller Hilfe der Stadt – 1986 die notwendigen Renovierungskosten. 

Im Frühjahr 2010 wollte sich die Stadt von fast 90 Immobilien – darunter auch „leerstehende Bürogebäude in der Ditzinger Str. 3 und 5“ – trennen. Dass sich dahinter die historischen Häuser verbergen, war für viele Stadträte nicht erkennbar. Eine Unterschriftenaktion – initiiert vom Obst- und Gartenbauverein, den Naturfreunden und dem Weilimdorfer Heimatkreis – fand in kurzer Zeit sehr großen Zuspruch, und so gründete sich am 18. Mai 2010 der Verein Pro Alt-Weil e.V. als Sprachrohr für die Bürger. Der damalige Weilimdorfer Stadtrat Bernd Klingler vermittelte ein Treffen zwischen dem Verein Pro Alt-Weil e.V. und dem Finanzbürgermeister Michael Föll. Ein Nutzungskonzept wurde erstellt und schließlich im Gemeinderat beschlossen, dass das Alte Rathaus für das Gemeinwesen in Weilimdorf renoviert werden soll. Im alten Schulhaus sollte die Kindergruppe Regenbogen nach der Sanierung wieder einziehen dürfen. Ein langer Weg mit unerwarteten Auflagen und Paragrafen, und großen Bemühungen, Mehrheiten bei den Bürgerhaushalten zu bekommen, führte schließlich doch zum Ziel. Seit 2019 wird das Ensemble renoviert. Im Sommer 2021 ist die Einweihung vorgesehen.

Die Oswald- Kirche mit Rathaus, Schulhaus und Pfarrhaus bilden dieses schützenswerte “historisches Ensemble” – das Herzstück des alten Weinbauerndorfes. 

Text: nach den Veröffentlichungen von C. Karow in der Chronik zum 750.Jubiläum von Weilimdorf, überarbeitet von Edeltraud John, Weilimdorfer Heimatkreis

Das Gartenhäuschen im ehemaligen Pfarrgarten

das Pfarrgartenhäusle © Foto Hans-Martin Goede
das Pfarrgartenhäusle

Im ehemaligen Garten des alten evangelischen Pfarrhauses in der Ditzinger Straße 7 – nicht weit von der Oswaldkirche entfernt – steht ein besonderes Gartenhäuschen. Es ist das einzige Gartenhaus in Weilimdorf, das den Schutz als Kulturdenkmal genießt und deshalb immer wieder „aufgefrischt“ wird. Der ehemalige Pfarrgarten ist ein kleiner Park mit einer bequemen Bank und es ist zu wünschen, dass Besucher ihre Abfälle gut entsorgen.

Das Gartenhäuschen wurde vermutlich um ca. 1800 von Pfarrer David Sarwey (1763 -1823) angeschafft, der von 1787 bis 1809 Pfarrer in Weil im Dorf war und von 1809 bis 19823 als Dekan in Leonberg wirkte. Sarwey stammt aus einem relativ begüterten Elternhaus. 

Das Häuschen entsprach dem damaligen Geschmack: Das Häuschen hat eine Sichtfachwerkkonstruktion. Das Dach trägt ein Kreuz, d.h. es gehörte auf jeden Fall später – wie das Pfarrhaus der Kirchengemeinde. Die Eingangstür zum Gartenhäuschen ist nur über eine seitliche Steintreppe zu erreichen, da der Zugang im 1.Stock liegt. Auf der Innenseite des Pfarrgartens steht das Häuschen auf zwei Holzstützen. Als Gartenhaus war dieses kleine Bauwerk wohl weniger geeignet. Man kann sich das Häuschen als ruhigen Arbeitsraum für den Herrn Pfarrer zur Vorbereitung der nächsten Predigt vorstellen. Vermutlich haben auch die Pfarrerskinder darin spielen dürfen.                                                                                                                  

Das Gartenhäuschen von Bohnenberger in Altburg (Kreis Calw)
Das Gartenhäuschen von Bohnenberger in Altburg (Kreis Calw)

Vielleicht war Pfarrer Sarwey auch an Sternen interessiert wie sein ehemaliger Studienfreund in Tübingen Johann Gottfried Friederich Bohnenberger (1765 – 1831), der in Altburg im Kreis Calw ein ganz ähnliches Gartenhäuschen – wie auch sein Vater – ab ca. 1785 als Sternwarte genutzt hat. Das Häuschen ist heute das Wahrzeichen von Altburg.

J.G.F. Bohnenberger hat sich früh von der Theologie ab- und den Naturwissenschaften zugewandt und war schließlich Professor in Tübingen. Bekannt wurde er bei uns vor allem durch die Landesvermessung von Württemberg 1820, bei der die geradlinige Solitude-Allee als Basis für die Triangulation diente.

Von der Widdumhofstraße her betrachtet steht das Gartenhäuschen auf der Mauer, darunter befindet sich ein Durchlass, der früher durch eine Türe verschlossen werden konnte. Diese Eingangstüre führte einst in den Pfarrgarten und war kein öffentlicher Durchgang.  Heute ermöglicht der Durchgang durch den Pfarrgarten eine kurze und rasche Verbindung von der Ditzinger Straße in die Widdumhofstraße, bzw. eine Abkürzung von der Glemsgaustraße in die Ditzinger Straße. 

die Grenzsteine im "Pfarrgarten"
die Grenzsteine im “Pfarrgarten”

Im Pfarrgarten links vom Gartenhäuschen stehen zwei Grenzsteine von Weil im Dorf mit einem W bzw. einer Hirschstange gekennzeichnet als Zeichen für Weil im Dorf, bzw. für das Königreich Württemberg. Die Steine wurden vor ein paar Jahren von ihrem ursprünglichen Standort unerlaubt entfernt. Auf Initiative des Weilimdorfer Heimatkreise stehen sie nun als steinerne Zeugen für die Grenzsteine im Land, die schon lange vor der Landvermessung gesetzt wurden. Grenzsteine sind geschützte Kleindenkmale und sollten an ihrem Platz verbleiben. 

Text: Edeltraud John, Weilimdorfer Heimatkreis (November 2020)
Fotos: Archiv Weilimdorfer Heimatkreis und Hans-Martin Goede

das Weilemer Pfarrgartenhäusle im April 2008
das Weilemer Pfarrgartenhäusle im April 2008

Jeder alte Weilimdorfer kennt das Häuschen zierlich klein,
das auf Pfarrherrn’s Gartenmauer lustig thront im Sonnenschein.
Was vergangne Zeiten brachten – Krieg und Frieden, Freud und Weh’n –
Alles hat es überdauert, unser Häuschen bleibt besteh’n!
O, wie viele Pfarrerskinder spielten schon in seinem Raum,
Allen blieb das Gartenhäuschen ein gar lieber Jugendtraum.
Neulich hat es nun erhalten wiederum ein neues Kleid,
Alle, die vorübergehen, nun sein Anblick herzlich freut.
Wie ein (altes) eitles Bauernmädchen schaut es jetzt von seiner Höh’,
gleich als wollte es uns sagen; „Gelt, jetzt bin i wieder schö!“
Möge es noch lange stehen als ein Gruß aus alter Zeit
und ein kleines Denkmal bilden von dem einstigen ALT- WEIL!

Gedicht: KARL BLANZ (1952)

$ = jQuery; $('.backbutton').on('click', function(e){ e.preventDefault(); window.history.back(); });